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Blick nach Westen - Arabische Medien nach 9/11

Loay Mudhoon7. September 2006

Der 11. September 2001 markierte einen Wendepunkt in der arabischen Medienwelt. Die Deutsche Welle hat führende Medienvertreter aus arabischen Ländern eingeladen, um die ihre Perspektive kennen zu lernen.

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El Arabija ist eine der stärksten TV-Stimmen aus der arabischen WeltBild: dpa

Dass die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington die Welt nachhaltig verändert haben, ist unbestritten. Seit fünf Jahren bemüht sich "der Westen" verstärkt um den "Dialog mit der arabischen Welt" - insbesondere auch über die Medien. Aber wie sehen die Konsequenzen dieses epochalen Bewusstseinsschocks in der arabischen Medienlandschaft aus? Wie hat sich der arabische Mediendiskurs seitdem entwickelt? Und vor allem welchen Stellenwert haben für arabische Medien und Journalisten ethische Leitlinien – insbesondere bei der Berichterstattung über Terrorismus? Über diese Fragen diskutierten führende arabische Medienvertreter auf Einladung der Deutschen Welle.

Der 11. September stellte die arabischen Medien vor schwierige Herausforderungen: Einerseits war man dort ebenso überrascht und schockiert wie die übrigen Journalisten; andererseits wurden arabischen Journalisten mit der Tatsache konfrontiert, dass es sich bei den Attentätern um arabische Bürger handelte. Khaled Hroub, Leiter des Cambridge Arab Media Project, beschreibt die ersten Reaktionen auf dieses Verbrechen: "Im ersten Moment merkte man bei einigen Kleingeistern in der arabischen Medienwelt gewisse, spontane Genugtuung, was sich natürlich in der Berichterstattung einiger Medien widerspiegelte." Allerdings habe es nicht lange gedauert, bis sich die nüchternen Stimmen durchsetzten.

Verpasste Chance zur Annäherung

Hroub ist Medienwissenschaftler und Moderator beim führenden arabischen Fernsehsender Al-Jazeera, der auch als die bedeutendste "arabische Partei" bezeichnet wird. Er erinnert an die seiner Meinung nach verpasste Chance zur Annäherung zwischen dem "Westen" und der "arabischen Welt" nach dem globalen Schock des 11. September. So habe der konfrontative, amerikanische Politikstil, den arabischen Eliten kaum eine Chance gegeben, eine klare, fundierte und moderate Position zu diesem Schock zu formulieren. "Viele Araber fühlten sich brüskiert und pauschal unter Terror-Verdacht gestellt", sagt der Journalist. Der simple Dualismus des amerikanischen Präsidenten, das "Wir-gegen-Sie" habe moderate Kräfte ins Lager der Hardliner getrieben und es kam zur Kollision der Fundamentalismen.

Dem zweitwichtigsten, in Dubai ansässigen Satellitenfernsehsender Al-Arabia sind hingegen bei der Berichterstattung Grenzen gesetzt. Der Sender hat zwar eine Meinung zur Weltpolitik, verhält sich aber bei Berichten über den saudi-arabischen Nachbarn und befreundete Regierungen vorsichtig, was sich beispielsweise in seiner übertrieben umfassenden Berichterstattung über den Tod König Fahds widerspiegelte.

Der 11. September hat die arabische Medienlandschaft regelrecht revolutioniert, sagt Al-Arabia-Nachrichtenchef Nakhle El-Hage: "Nicht immer im positiven Sinne. Denn seitdem erleben die Nachrichtenmedien einen unaufhaltsamen Boom." Aber auch in technisch-innovativer Hinsicht hätten sich neue Standards in den arabischen Medien etabliert, meint der Nachrichtenchef.

Westliche Mediendominanz gebrochen

In der Diskussion machten sich große Meinungsunterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung der Rolle arabischer Medien angesichts der andauernden West-Ost-Irritationen bemerkbar. So findet Khaled Hroub, dass die Arbeit der arabischen Medienmacher von den politischen Ereignissen in der Krisenregion überlagert werde: "Es ist für jeden Journalisten schwer, sich von der erdrückenden Last der Politik und gar der herrschenden Ideologie zu befreien – insbesondere für freie Medien in einer demokratiefreien Zone!“, findet Hroub. Für ihn besteht die herausragende Bedeutung des 11. September – und des Irakkriegs 2003 - darin, dass dadurch die westliche Mediendominanz zweifelsohne gebrochen wurde: "Der Nahe Osten als Hauptproduzent von Nachrichten liefert nun selbst die Nachrichten an die internationale Presse", stellte Hroub fest.

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Die Diskutanten: Erik Bettermann, Khaled Hroub, Aktham Suliman, Peter Philipp, Nakhle El-Hage und Klaus-Dieter Seelig (v.l.)Bild: DW

Interesse an westlichen Meinungen

Was das spannungsgeladene Verhältnis zwischen der arabischen Welt und dem westlichen Kulturraum anbetrifft, so stellte Nakhle El-Hage gesteigertes Interesse arabischer Zuschauer an westlichen Themen fest: "Unsere Zuschauer melden sich nach den Sendungen und fragen nach westlichen Meinungen zu Themen, die beide Kulturräume angehen", erzählt er.

In einem Punkt waren sich die arabischen Medienmacher einig: Durch die US-amerikanische Politik in der Region sind einige Medien immer stärker zu einem Sprachrohr der Gegner dieser Politik geworden - was an sich nicht falsch ist. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die innerarabischen Probleme immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden und den Medien dadurch ein Teil ihrer kritischen und aufklärerischen Funktion verloren gehen könnte.

Zudem herrschte Einigkeit unter den Diskutanten darüber, dass arabische Medien klare ethische Normen und Leitlinien formulieren sollten, um mediale Parallelgesellschaften zu vermeiden- jedoch nahm Hroub die arabischen Medien in Schutz: "Trotz berechtigter Kritik an der Arbeit einiger arabischer Medien muss man bedenken, dass sie sich noch in einer Entwicklungsphase befinden – und sie lernen beim Senden." Hroub wies aber auch darauf hin, dass arabische Medien westlichen Stimmen mehr Raum geben als westliche Medien dies mit arabischen Stimmen tun. "Vielleicht deshalb weiß der Durchschnittsaraber über den Westen mehr als der Durchschnittswestler über den arabischen Raum", mutmaßte der Journalist.